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„Wir wollen unsere Prozesse automatisieren und unseren IT-Service-Desk effizienter machen“.
Wer kennt sie nicht diese Aussagen, und wie gern würde jeder und jede Verantwortliche diesem Satz Taten folgen lassen. Schnell werden Folien mit Möglichkeiten und Tools erstellt und vorgestellt, Wünsche gesammelt, Ideen ausgetauscht und Reports gezogen, um einen Überblick über die Verteilung des Ticketvolumens zu erhalten. Es ist eine Art Aktionismus gepaart mit Aufbruchsstimmung. Und dann? Das Ergebnis von vielen dieser Initiativen sind kaum spürbare Verbesserung und keine echte, tiefgreifende Automatisierung. Scheinbar fehlt es weder an Ideen noch an Motivation, aber warum erreichen diese Vorhaben ihr Ziel nicht?
Bei den Vorhaben zur Automatisierung, die ich miterlebt oder umgesetzt habe, waren das die Hauptgründe:
- Zum einen fehlt es an einem abgestimmten Ansatz und konkreten, messbaren Zielen, die es zu erreichen gilt. Und zum anderen ist ohne konkretes Ziel und Zukunftsbild die Energie und Motivation zu niedrig, um bestehende Hürden zu überwinden, z. B. mögliche Konflikte beim Datenschutz oder nötige Absprachen mit dem Betriebsrat.
- Die Investitionsfreigabe für die Umsetzung des Vorhabens bleibt aus, da der Nutzen nicht quantifiziert werden kann. In diesem Kontext ist theoretisch allen Beteiligten klar, dass Automatisierung immer einen Nutzen bringt. Die Schwierigkeit liegt beispielsweise darin, dass die Aufwände im Team weniger werden, aber keine konkrete Entwicklungsperspektive für einzelne Teammitglieder existiert, so dass die Personalkosten für das Team sinken könnten.
- Im Rahmen eines Auftraggeber-/Auftragnehmerverhältnisses gibt es meistens Bedenken in Bezug auf die Abhängigkeit zum aktuellen Auftragnehmer, wenn Prozesse über die Tools beider Unternehmen hinweg automatisiert werden. Durch die Verwendung von personenbezogenen Daten kommen beispielsweise Aspekte des Datenschutzes bzw. der Datenverarbeitung hinzu, die gelöst werden müssen.
- „Der Teufel steckt immer im Detail“: Wer kennt diesen Ausspruch nicht, der auf jedes Vorhaben zutrifft. Das verheerende ist der negative Effekt auf die Motivation aller Beteiligten, wenn sich immer neue „Probleme“ ergeben und gelöst werden müssen. Der Weg zum Ziel scheint dadurch immer mühsamer und anstrengender zu werden und irgendwann geben Einzelne auf.
- „Tagesgeschäft geht vor“: Wie schnell passiert es, dass das Tagesgeschäft uns überrollt, uns vereinnahmt und schnell ein Tag oder eine Woche vergeht, während wir unserem Ziel nicht nähergekommen sind.
Haben Sie die eine oder andere Situationen wiedererkannt? Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Prozesse zu automatisieren, ist auf vielen Ebenen ein Gewinn und hilft Ihnen speziell ihren Personalbedarf zu decken.
Die folgenden Inspirationen werden Ihnen helfen:
- Klärung des „Warum?“ und Entwickeln eines gemeinsamen Zukunftsbildes: Warum wollen wir Prozesse in unserem IT-Service-Desk automatisieren? Skizzieren Sie ein emotional aufgeladenes Zukunftsbild. Diese Emotionen bringen das Team in die Umsetzung und erzeugen die notwendige Energie. Es lohnt sich, in diesen Punkt besonders viel Zeit zu investieren, um die Emotionen transportieren zu können und die richtige Energie zu erzeugen. Visualisierungen und das schriftliche Festhalten des Zukunftsbildes sind hilfreiche Werkzeuge.
- Welches messbare Ziel und welche Teilziele wollen Sie erreichen? Wenn Sie ihr Zukunftsbild erstellt haben und die Emotionen fühlen können, leiten Sie daraus ein messbares SMART-Ziel ab. Dazu empfehle ich Fortschrittskriterien, mit denen Sie regelmäßig prüfen, wie Sie Ihrem Ziel näherkommen.
- Grobe Skizze eines Ansatzes und Erstellen eines einfachen Business Case: Welchen Automatisierungsgrad können Sie bei welchen Prozessen erreichen und wie wirkt sich das auf das Erreichen Ihrer Ziele aus? Eine einfache Matrix mit einer Skala von 1–5 ist ausreichend und kann hier heruntergeladen werden. Da es in der heutigen Arbeitsmarktsituation selten darum geht FTE (Full-Time Equivalent) abzubauen, ist ein entscheidender Punkt in ihrem Business Case der Umgang mit FTE, falls im betreffenden Team Personalkosten gesenkt werden sollen. Die Entwicklungswünsche einzelner Teammitglieder gepaart mit einem Bedarf in einem anderen Bereich oder neuen Aufgaben für das Team helfen Ihnen bei der Lösung.
- „Genießen Sie den Elefanten in kleinen Stücken.“ Es dauert ewig, einen Elefanten zu essen, währenddessen nimmt Ihr Appetit stetig ab und Ihre Frustration über die Menge vor Ihnen zu. Genießen Sie und ihr Team die Veränderung daher in kleinen Stücken. Machen Sie eine kurze Pause, verdauen Sie und nehmen Sie sich dann das nächste Stück vor. Finden Sie für sich und Ihr Team einen Rhythmus, der für Ihre Situation produktiv und praktikabel ist. Dazu braucht es weniger eine spezielle Methode als nur einen kontinuierlichen Rhythmus: Stück rauspicken -> definieren -> umsetzen -> lernen -> nächstes Stück
- 100 % Ergebnisfokussierung mit Verzicht auf Projektplanung: 1. Einen Projektplan zu pflegen bewirkt keine Veränderung und hat auch keinen Einfluss auf das Erreichen ihres Ziels. Zudem ist die Pflege sehr aufwendig, denn „kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt“. Statt einen Projektplan zu pflegen, empfehle ich Ihnen, die Zeit ins Erreichen ihres Ergebnisses zu investieren. Durchdenken Sie in groben Zügen die Umsetzung, setzen Sie Prioritäten, bedenken Sie mit Ihrem Team mögliche Risiken, beginnen Sie mit der ersten Priorität und legen Sie los. 2. Bleiben Sie fokussiert und lassen Sie sich nicht vom Tagesgeschäft ablenken, indem Sie Ihren unter Punkt 3 definierten Rhythmus, klare Vereinbarungen und den abgesprochenen Umgang bei Nichteinhaltung nutzen. Eine Vereinbarung ist für mich eine gegenseitige Willenserklärung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas zu tun und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu erhalten.
- Tool folgt dem Prozess: Entwickeln Sie zuerst den aus Anwendersicht einfachsten Prozess, leiten Sie daraus Ihre Anforderungen ab und suchen im Anschluss nach einem Tool, welches Ihre Anforderungen umsetzen kann. Auch wenn Sie ein gutes Netzwerk haben und Anbieter kennen, lohnt sich diese Reihenfolge, um den bestmöglichen Prozess ohne Einschränkungen durch das Tool zu entwickeln.
- Fokus auf ihre vorhandene Toollandschaft bzw. Ihre Tools als Auftraggeber: Optimieren Sie im ersten Schritt Ihre bestehende Toollandschaft durch Scripte oder Erweiterungen, bevor Sie nach neuen Tools suchen, zu denen Sie Schnittstellen bauen und später pflegen müssen. Neue Tools sind eine lohnenswerte Investition, wenn durch die Anpassungen eine Aktualisierung ihrer Toollandschaft nur noch mit erheblichen Risiken verbunden, ein Kauf mittel-/langfristig günstiger ist oder ihre Tools die Anforderungen aus ihrem Zukunftsbild nicht umsetzen können.
Wird Ihre Automatisierung von nun an nur so flutschen? Nein, leider nicht. Es bleibt ein steiniger Weg. Doch mithilfe dieser Tipps können Sie alle Beteiligte mit guten Wanderstiefeln ausstatten und gemeinsam diese Aufgabe meistern. Am Ende belohnen Sie sich alle mit einer höheren Anwenderzufriedenheit.
Viel Erfolg und denken Sie an ihr tolles Zukunftsbild!