Unhappy and disappointed customer giving low rating and negative feedback in survey, poll or questionnaire. Sad and dissatisfied man giving review about service quality. Bad user experience.

SLAs zerstören Anwenderzufriedenheit

Quelle: istockphone/Tero Vesalainen

Eine typische Situation:

Vielleicht kennen Sie das: Es ist Montagmorgen 8:00 Uhr. Es melden sich eine Unmenge an Anwendern in ihrem IT-Service-Desk, da ein wichtiger Teil ihrer IT-Infrastruktur ausgefallen ist. Sie können keine Bandansage schalten, da dadurch einer oder mehrere SLAs für den Tag ausgesetzt werden würde und dies ihr Auftraggeber nicht möchte. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein. Dies spielt in dieser Situation und in Bezug auf die Zufriedenheit ihrer Anwender:innen keine Rolle. Die Warteschleife bleibt hoch, der Backlog wächst und der Ton der Anwender:innen wird „rauer“, wobei Sie gefühlt Jedem den gleichen Text erzählen.

Andere Situation:

Kurz vor Ende des Monats ist ihr SLA für die telefonische Erreichbarkeit noch nicht erfüllt. Es fehlen nur wenige Prozentpunkte und eine Erfüllung zur Vermeidung der Pönale ist möglich. Aus diesem Grund legen Sie ihren Fokus darauf. Da Sie nicht mehr Teammitglieder haben und gleichzeitig andere SLAs nicht gefährden dürfen, sinkt die Qualität ihrer Antworten. Trotzdem Sie am Ende des Monats ihre SLAs erfüllt haben, haben Sie vermehrt Beschwerden über die Antwortqualität erhalten und ihre Anwenderzufriedenheit ist gesunken.

Diese Beispiele aus der Praxis zeigen, wie sich der Fokus auf die Einhaltung von SLAs negativ auf die Zufriedenheit ihrer Anwender auswirken kann.

 

Was jetzt? Keine SLAs mehr?

Ich möchte Sie ermutigen die Anwenderzufriedenheit noch weiter in den Mittelpunkt zu stellen. Die folgenden Punkte helfen Ihnen sich darauf zu fokussieren und mit ihrem Anbieter/Partner/Provider im „selben Boot“ zu sitzen:

  1. Die Anwenderzufriedenheit ist ihr einziger SLA.
  2. Alle anderen SLAs werden zu KPIs umgewandelt und haben keine Relevanz für Sonderkündigungen oder Bonus-/Malusberechnungen.
  3. Verknüpfen Sie ihr Bonus-/Malussystem mit dem SLA „Anwenderzufriedenheit“. Dies kann sowohl in einem internen Anreizsystem als auch in              einem Vertragsverhältnis mit einem Provider erfolgen. Berücksichtigen Sie ihre Definitionen in den entsprechenden Kostenkalkulationen.                      96%-98% sind ein guter Startwert für einen Bonus. 
  4. Führen Sie kontinuierlich Befragungen in ihrem Team zu möglichen Verbesserung durch und machen Sie die Ergebnisse transparent. Zeigen Sie        ihrem Team jeden Tag, was aus jeder einzelnen Idee geworden ist und wie der aktuelle Bearbeitungsstand ist.   
  5. Honorieren Sie Vorschläge aus ihrem Team. Ich empfehle Ihnen “Wertschöpfung durch Wertschätzung” in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zu        stellen und die für ihr Team oder ihren Bereich beste Lösung zu entwickeln.
  6. Wenn Sie mit einem Provider/externen Partner zusammenarbeiten:
    1. Verlagern Sie mehr Verantwortung an ihren Partner, indem Sie es verstärkt ihrem Partner überlassen, wie die KPIs und die Anwenderzufriedenheit erreicht werden. Ihr Partner ist noch näher am Tagesgeschehen und kann situativ die besseren und schnelleren Entscheidungen treffen.
    2. Unterstützen Sie ihren Partner bei der Verbesserung der Anwenderzufriedenheit und vereinbaren Sie konkrete Beistellungen, um beispielsweise die Erstlösungsquote durch Verlagerung von Tätigkeiten (shift-left) aus ihren eigenen IT-Teams zu erhöhen. Wie dies funktionieren kann, habe ich Ihnen in der Case Study “Shift-Left bedeutet nicht zwingend am Stuhl zu sägen” im Ansatz beschrieben.
    3. Fokussieren Sie sich auf die stetige Verbesserung ihrer Responserate um möglichst viele Bewertungen zu erhalten. Hier ein paar Tipps:
      1. Fangen Sie mit möglichst wenigen Fragen an und senken Sie damit die Hürde bzw. Antwortzeit für die Anwender
      2. Machen Sie es ihren Anwendern so einfach wie möglich zu antworten. Nutzen Sie Symbole, gestalten Sie ein einfaches Formular und motivieren Sie ihre Mitarbeiter in jeder Kommunikation mit dem Anwender darauf hinzuweisen
      3. Holen Sie Feedback von ihren Anwendern ein über welchen Kanal sie am ehesten Bewertungen abgeben
      4. Schaffen Sie Anreize für Anwender zum Beispiel in Form eines temporären Upgrades oder ein Monat kostenfreies Essen in der Kantine. Nutzen sie für die Ermittlung ein Losverfahren.
      5. Übernehmen Sie persönliche Verantwortung für die Anwenderzufriedenheit in dem Sie beispielsweise den Dank auf dem Formular mit ihrem eigenen Namen unterschreiben
      6. Kommunizieren Sie regelmäßig über die wichtigsten Rückmeldungen und benennen Sie konkrete nächste Schritte.  Dies ist notwendig, da sonst die Motivation verloren geht sich Zeit für die Rückmeldung zu nehmen
  7. Entwickeln Sie einen effektiven Prozess, um möglichst schnell aus den Rückmeldungen lernen zu können. Ein wöchentlicher Rhythmus und eine kontinuierliche Umsetzung haben sich bewährt. Versuchen Sie in diesem Zusammenhang Projekte zu vermeiden. Ihre „Innovationsmaschine“ soll ein “Sportboot” und kein “Öltanker” sein. 

Diese Punkte werden nicht nur ihren Fokus auf die Anwenderzufriedenheit erhöhen, sondern auch ihre administrativen Aufwände reduzieren. Ich denke dabei an Gespräche und Berechnungen über SLA-Aussetzungen oder anderen „Papierkram“ ohne Mehrwert für den Anwender.

Der dadurch geschaffene Freiraum ist ihre Chance die vielen guten Ideen ihres Teams und das Feedback ihrer Anwender umzusetzen und dadurch die Effizienz ihres IT-Service Desk als auch auf die Anwenderzufriedenheit auf das nächste Level zu bringen. 

 

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Warum nicht Anwenderzufriedenheit als SLA definieren? Was spricht dagegen?

  1. Der Aufwand für die Gespräche über Tickets, die aus dem SLA genommen werden sollen oder Neuberechnungen von allen SLA-Aussetzungen nach Großstörungen wird nicht reduziert.
  2. Der Aufwand wird durch einen zusätzlichen SLA höher.
  3. Es wird nicht der maximal mögliche Freiraum an Zeit frei, um Innovationen zu entwickeln und umzusetzen.
  4. Sie sind nicht auf die wichtigste Sache – die Anwenderzufriedenheit fokussiert – sondern versuchen alle SLAs zu erfüllen, obwohl 0,5% bei einem      SLA für einen Anwender nicht spürbar sind.
  5. Sie sind unflexibler in der Steuerung. Es kann für ihre Anwender einen größeren Wert haben einen entstandenen Backlog nach einer Störung              schnell abzubauen und dafür einen größeren Teil des Teams einzusetzen, anstatt weiterhin zu versuchen noch 2-3 % SLA-Erfüllung für die                  telefonische Erreichbarkeit ihres IT-Service-Desks zu verwenden.

  1. Seien Sie mutig. Probieren Sie es aus, lernen Sie aus Fehlern und halten Sie durch!